Zuweisung des Rechtswegs zu den Sozialgerichten

Für Streitigkeiten zwischen Institutionen der gesetzlichen Krankenversicherung und Leistungserbringern bei wettbewerbs- und kartellrechtlichem Bezug

2000 +++ Klaus Engelmann +++ Quelle: Neue Zeitschrift für Sozialrecht NZS 5/2000, 15. Mai 9. Jahrgang 2000, 213-222

Auszüge:

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V. Verfassungswidrigkeit des § 69 SGB V

1. Kritik von Schwerdtfeger

Die Neufassung des § 69 SGB V durch das GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 soll allerdings gegen Verfassungs- und EG-Recht verstoßen. Nach Schwerdtfeger ist die Vorschrift sowohl mit ihrem materiellrechtlichen Ansatz als auch mit ihren prozessualen Folgen ein signifikanter Rückschritt an rechtsstaatlicher Substanz als verfassungspolitischer Kategorie. Sie erweise sich in wesentlichen Punkten zugleich als verfassungswidrig.

Schließlich verstoße § 69 SGB V gegen Art. 86 l EG-Vertrag, wonach die Mitgliedsstaaten auch in Bezug auf öffentliche Unternehmen keine den Art. 81 ff. EG-Vertrag widersprechenden Maßnahmen treffen dürfen.

Die Gesetzesbegründung zur GWB-Regelung geht mithin davon aus, dass sich Rechtsstreitigkeiten zwischen Institutionen der GKV und Leistungsanbietern bzw. privaten Dritten auch aus Ansprüchen ergeben können, die aus - deutschem oder europäischem  - Kartellrecht hergeleitet werden können.

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3. Ergebnis

Festzuhalten bleibt nach allem, dass Ziel der Neuregelungen allein die Zuweisung des Rechtswegs für die genannten Streitigkeiten zu den Sozial- bzw. den Verwaltungsgerichten ist. Hingegen schließen sie nicht generell die Anwendung des UWG und GWB und auch nicht des europäischen Kartellrechts auf Verwaltungshandeln der Institutionen der GKV im Verhältnis zu Leitungserbringern und Dritten aus. Ohnehin könnte nationales Recht in diesem Zusammenhang nicht wirksam bestimmen, dass EG-Recht nicht anzuwenden sei.

Europäisches Kartellrecht erfasst die Tätigkeit von Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen, gleichgültig, ob sie in öffentlich-rechtlicher oder in privatrechtlicher Form vorgenommen wird, jedenfalls dann, wenn sie sich als Marktteilnahme darstellt. Nicht dem Kartellrecht unterliegt dagegen die klassisch hoheitliche, im öffentlichen Interesse wahrgenommene Tätigkeit.

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VII. Ausblick

Die dargestellte Zuweisung des Rechtswegs zu den Sozialgerichten in Verfahren, in denen private Leistungserbringer und -anbieter gegenüber Institutionen der GKV Ansprüche auf wettbewerbs- oder kartellrechtlicher Grundlage in dem von § 69 SGB V erfassten Bereich erheben, ist abschließend.

Die Aufhebung der bisher zwar nicht rechtlich, aber faktisch gegebenen ausschließlichen Zuständigkeit der Kartellgerichte für Streitigkeiten mit kartellrechtlichem Bezug hat allerdings auch zur Folge, dass das Rechtsgebiet des Kartellrechts nicht mehr allein durch eine Gerichtsbarkeit bestimmt wird.