Eine Ergänzung der Menschenrechte
1998 +++ Quelle: H. Schmidt: Auf der Suche nach einer öffentlichen Moral. Deutschland vor dem neuen Jahrhundert. Deutsche Verlags-Anstalt Stuttgart, 1998
PRÄAMBEL Da die Anerkennung der allen Mitgliedern der menschlichen
Familie innewohnenden Würde und der gleichen und unveräußerlichen
Rechte die Grundlage für Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden in der Welt
ist und Pflichten oder Verantwortlichkeiten ("responsibilities") einschließt, da das exklusive Bestehen auf Rechten Konflikt, Spaltung
und endlosen Streit zur Folge hat und die Vernachlässigung der Menschenpflichten
zu Gesetzlosigkeit und Chaos führen kann, da die Herrschaft des Rechtes und die Förderung
der Menschenrechte abhängen von der Bereitschaft von Männern wie Frauen,
gerecht zu handeln, da globale Probleme globale Lösungen verlangen,
was nur erreicht werden kann durch von allen Kulturen und Gesellschaften beachtete
Ideen, Werte und Normen, da alle Menschen nach bestem Wissen und Vermögen
eine Verantwortung haben, sowohl vor Ort als auch global eine bessere Gesellschaftsordnung
zu fördern - ein Ziel, das mit Gesetzen, Vorschriften und Konventionen
allein nicht erreicht werden kann, da menschliche Bestrebungen für Fortschritt und
Verbesserung nur verwirklicht werden können durch übereinstimmende
Werte und Maßstäbe, die jederzeit für alle Menschen und Institutionen
gelten, deshalb verkündet die Generalversammlung der Vereinten
Nationen diese Allgemeine Erklärung der Menschenpflichten. Sie
soll ein gemeinsamer Maßstab sein für alle Völker und Nationen,
mit dem Ziel, daß jedes Individuum und jede gesellschaftliche Einrichtung,
dieser Erklärung stets eingedenk, zum Fortschritt der Gemeinschaften und
zur Aufklärung all ihrer Mitglieder beitragen mögen. Wir, die Völker
der Erde, erneuern und verstärken hiermit die schon durch die Allgemeine
Erklärung der Menschrechte proklamierten Verpflichtungen: die volle Akzeptanz
der Würde aller Menschen, ihrer unveräußerlichen Freiheit und
Gleichheit und ihrer Solidarität untereinander. Bewußtsein und Akzeptanz
dieser Pflichten sollen in der ganzen Welt gelehrt und gefördert werden. Fundamentale Prinzipien für Humanität ARTIKEL 1 Jede Person, gleich welchen Geschlechts, welcher ethnischen
Herkunft, welchen sozialen Status, welcher politischen Überzeugung, welcher
Sprache, welchen Alters, welcher Nationalität oder Religion, hat die Pflicht,
alle Menschen menschlich zu behandeln. ARTIKEL 2 Keine Person soll unmenschliches Verhalten, welcher Art auch
immer, unterstützen, vielmehr haben alle Menschen die Pflicht, sich für
die Würde und die Selbstachtung aller anderen Menschen einzusetzen. ARTIKEL 3 Keine Person, keine Gruppe oder Organisation, kein Staat, keine
Armee oder Polizei steht jenseits von Gut und Böse; sie alle unterstehen
moralischen Maßstäben. Jeder Mensch hat die Pflicht, unter allen
Umständen Gutes zu fördern und Böses zu meiden. ARTIKEL 4 Alle Menschen, begabt mit Vernunft und Gewissen, müssen
im Geist der Solidarität Verantwortung übernehmen gegenüber jedem
und allen, Familien und Gemeinschaften, Rassen, Nationen und Religionen: Was
du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu. Gewaltlosigkeit und Ehrfurcht vor dem Leben ARTIKEL 5 Jede Person hat die Pflicht, Leben zu achten. Niemand hat das
Recht, eine andere menschliche Person zu verletzen, zu foltern oder zu töten.
Dies schließt das Recht auf gerechtfertigte Selbstverteidigung von Individuen
und Gemeinschaften nicht aus. ARTIKEL 6 Streitigkeiten zwischen Staaten, Gruppen oder Individuen sollen
ohne Gewalt ausgetragen werden. Keine Regierung darf Akte des Völkermords
oder des Terrorismus tolerieren oder sich daran beteiligen, noch darf sie Frauen,
Kinder oder irgendwelche andere zivile Personen als Mittel zur Kriegführung
mißbrauchen. Jeder Bürger und öffentliche Verantwortungsträger
hat die Pflicht, auf friedliche, gewaltfreie Weise zu handeln. ARTIKEL 7 Jede Person ist unendlich kostbar und muß unbedingt geschützt
werden. Schutz verlangen auch die Tiere und die natürliche Umwelt. Alle
Menschen haben die Pflicht, Luft, Wasser und Boden um der gegenwärtigen
Bewohner und der zukünftigen Generationen willen zu schützen. Gerechtigkeit und Solidarität ARTIKEL 8 Jede Person hat die Pflicht, sich integer, ehrlich und fair
zu verhalten. Keine Person oder Gruppe soll irgendeine andere Person oder Gruppe
ihres Besitzes berauben oder ihn willkürlich wegnehmen. ARTIKEL 9 Alle Menschen, denen die notwendigen Mittel gegeben sind, haben
die Pflicht, ernsthafte Anstrengungen zu unternehmen, um Armut, Unterernährung,
Unwissenheit und Ungleichheit zu überwinden. Sie sollen überall auf
der Welt eine nachhaltige Entwicklung fördern, um für alle Menschen
Würde, Freiheit, Sicherheit und Gerechtigkeit zu gewährleisten. ARTIKEL 10 Alle Menschen haben die Pflicht, ihre Fähigkeit durch
Fleiß und Anstrengung zu entwickeln; sie sollen gleichen Zugang zu Ausbildung
und sinnvoller Arbeit haben. Jeder soll den Bedürftigen, Benachteiligten,
Behinderten und den Opfern von Diskriminierung Unterstützung zukommen lassen. ARTIKEL 11 Alles Eigentum und aller Reichtum müssen in Übereinstimmung
mit der Gerechtigkeit und zum Fortschritt der Menschheit verantwortungsvoll
verwendet werden. Wirtschaftliche und politische Macht darf nicht als Mittel
zur Herrschaft eingesetzt werden, sondern im Dienst wirtschaftlicher Gerechtigkeit
und sozialer Ordnung. Wahrhaftigkeit und Toleranz ARTIKEL 12 Jeder Mensch hat die Pflicht, wahrhaftig zu reden und zu handeln.
Niemand, wie hoch oder mächtig auch immer, darf lügen. Das Recht auf
Privatsphäre und auf persönliche oder berufliche Vertraulichkeit muß
respektiert werden. Niemand ist verpflichtet, die volle Wahrheit jedem zu jeder
Zeit zu sagen. ARTIKEL 13 Keine Politiker, Beamte, Wirtschaftsführer, Wissenschaftler,
Schriftsteller oder Künstler sind von allgemeinen ethischen Maßstäben
entbunden, noch sind es Ärzte, Juristen und andere Berufe, die Klienten
gegenüber besondere Pflichten haben. Berufsspezifische oder andersartige
Ethikkodizes sollen den Vorrang allgemeiner Maßstäbe wie etwa Wahrhaftigkeit
und Fairness widerspiegeln. ARTIKEL 14 Die Freiheit der Medien, die Öffentlichkeit zu informieren
und gesellschaftliche Einrichtungen wie Regierungsmaßnahmen zu kritisieren
was für eine gerechte Gesellschaft wesentlich ist -, muß mit
Verantwortung und Umsicht gebraucht werden. Die Freiheit der Medien bringt eine
besondere Verantwortung für genaue und wahrheitsgemäße Berichterstattung
mit sich. Sensationsberichte, welche die menschliche Person oder die Würde
erniedrigen, müssen stets vermieden werden. ARTIKEL 15 Während Religionsfreiheit garantiert sein muß, haben
die Repräsentanten der Religionen eine besondere Pflicht, Äußerungen
von Vorurteilen und diskriminierende Handlungen gegenüber Andersgläubigen
zu vermeiden. Sie sollen Haß, Fanatismus oder Glaubenskriege weder anstiften
noch legitimieren, vielmehr sollen sie Toleranz und gegenseitige Achtung unter
allen Menschen fördern. Gegenseitige Achtung und Partnerschaft ARTIKEL 16 Alle Männer und alle Frauen haben die Pflicht, einander
Achtung und Verständnis in ihrer Partnerschaft zu zeigen. Niemand soll
eine andere Person sexueller Ausbeutung oder Abhängigkeit unterwerfen.
Vielmehr sollen Geschlechtspartner die Verantwortung für die Sorge um das
Wohlergehen des anderen wahrnehmen. ARTIKEL 17 Die Ehe erfordert bei allen kulturellen und religiösen
Verschiedenheiten Liebe, Treue und Vergebung, und sie soll zum Ziel haben,
Sicherheit und gegenseitige Unterstützung zu garantieren. ARTIKEL 18 Vernünftige Familienplanung ist die Verantwortung eines
jeden Paares. Die Beziehung zwischen Eltern und Kindern soll gegenseitige Liebe,
Achtung, Wertschätzung und Sorge widerspiegeln. Weder Eltern noch andere
Erwachsene sollen Kinder ausbeuten, mißbrauchen oder mißhandeln. Schluß ARTIKEL 19 Keine Bestimmung dieser Erklärung darf so ausgelegt werden,
daß sich daraus für den Staat eine Gruppe oder eine Person irgendein
Recht ergibt, eine Tätigkeit auszuüben oder eine Handlung vorzunehmen,
welche auf die Vernichtung der in dieser Erklärung und der Allgemeinen
Erklärung der Menschenrechte von 1948 angeführten Pflichten, Rechte
und Freiheiten abzielen.