Arbeitskapazität des Operateurs einer Tagesklinik

Betriebswirtschaftliche Berechnungen

1994 +++ Jörg Hennefründ +++ Quelle: BAO-Info III/94, 8-10

Bei der betriebswirtschaftlichen Berechnung der angemessenen Vergütung für ambulante Operationen gehen neben objektiven Zahlen etliche, nicht objektiv bestimmbare, Rahmenannahmen ein. Überwiegend objektiv bestimmbar sind die Kosten (Raum, Personal, Abschreibungen, Verbrauchsmaterial etc.). Auch die rechnerischen Arzteinkommen und selbst die unternehmerischen Risiken sind durch allgemein anerkannte, betriebswirtschaftliche Verfahren errechenbar. Die weit überwiegenden Anteile dieser Kosten sind Fixkosten, die nicht mit der Anzahl der operativen Leistungen ansteigen. Andersherum bedeutet dies, dass die Kosten pro Operation weitgehend von der anzunehmenden Jahresleistung einer Op-Einheit abhängen.

Es ist also zur Ermittelung einer angemessenen Vergütung wichtig, die realistische jährliche Leistung einer operativen Einheit zu bestimmen. Pro Op ist in einer Tagesklinik von einer Besetzung mit einem Operateur und einem Anästhesisten auszugehen. Neben der räumlich – zeitlichen Berechnung der Jahreskapazität, kann also auch die persönliche Jahreskapazität eines rein operativ tätigen Arztes als Berechnungsgrundlage benutzt werden.

Jahressollarbeitszeit

52 Wochen x 38,5 Std.

2002,0 Std.

- Feiertage

12 Tage x 7,7 Std.

92,4 Std.

- Urlaub

6 Wochen x 38,5 Std.

231,0 Std.

- Krankheit/Fortbildung

2 Wochen x 38,5 Std.

77,0 Std.

Verfügbare Jahresarbeitszeit an 208 Tagen                           1601,6 Std.

Bislang wurden empirisch die reinen Op-Zeiten (Schnitt-Naht-Zeiten) sowie die unmittelbaren Vor- und Nachbereitungszeiten bestimmt. Diese werden seitens des Op-Personals durch die sog. Rüstzeiten bestimmt. Für den Arzt umfassen Sie in einer Tagesklinik die Summe von Patientenaufnahme (Anamnese, Untersuchung, Op-Aufklärung), Händewaschen und Op-Nachbereitung (Diktat etc.). Sie wurde laut GEBERA mit insgesamt 23 Minuten/Op ermittelt.

Neben dieser operativen Tätigkeit, dem eigentlichen Zweck der ärztlichen Arbeit, entstehen jedoch sonstige Anbindungen des Arztes, die die verfügbare Jahresarbeitszeit von ca. 1600 Stunden erheblich verringern. Diese werden durch folgende Faktoren verursacht:

a)      Notwendige Nachbereitung der Op’s (Untersuchungen, Op-Berichtkorrekturen, etc.)

b)      Leitungsaufgaben des Arztes (Personalführung etc.)

c)       Betriebswirtschaftliche Aufgaben des Arztes

d)      Qualitätssicherungsmaßnahmen

e)      Inhomogene Verteilung der Op’s (unvollständig ausgelastete Tage)

f)         Reibungsverluste durch nicht optimierbaren Ablauf

g)      Pausenzeiten

h)       Fortbildungsaufgaben

 

Quantifizierung der sonstigen ärztlichen Tätigkeit:

a)      Notwendige Nachbereitung der Op’s
Sieht man sich die praktische Organisation und den Ablauf in einer Tagesklinik an, so stellt man fest, dass die Betreuung der Patienten durch Operateur und Anästhesist bis zur Entlassung der letzten Patientin dauert. Dies ist im Durchschnitt 2 Stunden nach Beendigung der letzten Operation der Fall. Dieser Zeitraum wird durch post-op. Überwachungstätigkeit, Korrektur der Op-Berichte, Telefonate mit Zuweisern, Beantwortung von Kassenanfragen etc. gefüllt. Bei einer Bindung von täglich 2 Stunden an 208 Tagen werden hier jährlich 408 Stunden gebunden.

b)      Leitungsaufgaben des Arztes

c)      Betriebswirtschaftliche Ausgaben des Arztes
Große Betriebe wie Krankenhäuser haben für Aufgaben der Betriebsführung eigene Abteilungen: Personalabteilung, Buchführung, Controlling. Der Arzt der Tagesklinik muss diese Aufgaben selber übernehmen und delegiert üblicherweise nur die Rechts- und Steuerberatung. Verhandlungen der Krankenhäuser mit den Kassen finden ihr Gegenstück in den Auseinandersetzungen zwischen Arzt und KVen, bzw. den obligatorischen Abrechnungen, deren Überprüfungen, etc. Um diesen Aufwand abzuschätzen, kann am ehesten eine Analogisierung stattfinden, indem die anteiligen Ausgaben der Krankenhäuser für die o. g. Abteilungen als Zeitanteil an der Arbeitskapazität des Arztes angesetzt werden.
Wir gehen bis zur Erhebung genauerer Zahlen von etwa 5 % Verwaltungsanteil aus. 5 % von 1600 Stunden sind 80 Stunden.

d)      Qualitätssicherungsmaßnahmen
Qualitätssicherungsmaßnahmen als Untersuchungen der Ergebnisqualität fanden bislang überwiegend an Universitätskliniken statt und wurden veröffentlicht. Sie werden in der bisherigen Auffassung daher der wissenschaftlichen Tätigkeit zugerechnet.
Qualitätssicherungsmaßnahmen in Krankenhäusern fanden über Oberarzt- und Chefvisiten, Fallbesprechungen, Konferenzen etc. statt. Mit dem GSG und den neuen Anforderungen wird der Aufwand für diesen Bereich zunehmen. Wenn im Krankenhaus für die entsprechenden Visiten und Konferenzen wöchentlich pro Arzt mit mindestens 5 Stunden zu rechnen ist, wären dies ca. 13 % der Wochenarbeitszeit. Neue Qualitätskontrollmaßnahmen werden gemischt sein, d. h. es werden die jetzt geplanten Erhebungen von Basisdaten erfolgen; neben dieser zentralen Kontrolle werden aber immer auch angepasste, klinikspezifischen Maßnahmen notwendig sein. Setzt man sie pro Patienten mit nur 10 Minuten an, so ergibt sich bei jährlich ca. 1000 Operationen ein Zeitaufwand von 166 Stunden (ca. 10 % der verfügbaren Arbeitzeit).

e)      Inhomogene Verteilung der Op’s
Die Leerlaufzeiten durch die ungleichmäßige Verteilung der Operationen über die Tage und Jahreszeiten werden weitgehend durch Anpassung der Urlaubszeiten und Erledigung sonstiger Aufgaben in Zeiten relativer Ruhe gefüllt. Auch wenn dies erfahrungsgemäß nicht vollständig gelingt, werden diese Effekte hier nicht zahlenmäßig errechnet.

f)        Reibungsverluste durch nicht optimierbaren Ablauf
Bis zu 5 % der Patienten erscheinen nicht zum angesetzten Op-Termin oder die Operation kann aus anderen Gründen nicht am gleichen Tag oder erst nach Ermittlung weiterer Befunde durchgeführt werden. Die dadurch entstehenden Leerlaufzeiten oder der zusätzliche Aufwand durch Telefonate etc. betragen empirisch im Durchschnitt pro Tag 15 Minuten. Damit sind weitere 52 Stunden pro Jahr gebunden.

g)      Pausenzeiten
Die echten Pausenzeiten ergeben sich analog den Angestellten aus dem Arbeitsrecht, werden in den Dienstplänen aber nicht als Arbeitzeit gerechnet und brauchen hier nicht berücksichtigt zu werden. Dies trifft aber nicht für sehr kurze Arbeitsunterbrechungen zu (Toilettengänge, sog. Zigarettenpausen), die im Übrigen schon aus Konzentrationsgründen für einen Operateur notwendig sind. Sie können gemäß Arbeitrecht und üblichen betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ermittelt werde. Sie werden hier mit täglich 15 Minuten angesetzt und betragen bei 208 Arbeitstagen insgesamt 52 Stunden/Jahr.

h)      Fortbildungsaufgaben
Wie die Ärzte der Krankenhäuser, so erfüllen auch die Tageskliniken inzwischen erhebliche Fortbildungsaufgaben, indem sie Kongresse, Seminare und Vorträge ausrichten oder sich an auswärtigen Veranstaltungen als Referenten beteiligen. Bei durchschnittlich jährlich drei Vorträgen und einem Seminar/Kongress, der selber ausgerichtet wird, fallen zur Vorbereitung mindestens 100 Stunden an. Die Veranstaltungen selber finden üblicherweise außerhalb der eigentlichen Arbeitzeit statt und sollen nicht angerechnet werden.

Zusammenfassung

Die Summe der Zeiten aus den Punkten a) bis h) beträgt jährlich 858 Stunden.  Das sind 53,5 % der gesamten, verfügbaren Arbeitszeit.

Es stehen also effektiv für die operative Tätigkeit inkl. Wechselzeiten pro Arzt und Jahr 744 Stunden zur Verfügung.

Anmerkung:

Ein Arzt ist damit rechnerisch bei einer Op-Zeit von 3,6 Stunden pro Tag „ausgelastet“, z.B. also dann, wenn er jeden Tag von 8 bis 12 Uhr operieren würde. Das erscheint reichlich wenig, verkennt jedoch die ungleichmäßige Auslastung (siehe Punkt e, f und g). Auch der Gedanke, dass man dann mit zwei Operateuren einen Op auslasten könnte, ist nicht in die Realität umsetzbar, da ein Op-Raum mit zwei Ärzten zumeist überbesetzt ist. Optimal wäre also eine Gemeinschaftspraxis mit größerer Arztzahl als der Anzahl der OP-Räume, die ihre sonstige Arbeitskapazität der Sprechstundentätigkeit widmen.

Mit der ermittelten jährlichen Arbeitszeit kann man bei einem typischen Patientinnenkollektiv z. B. der Gynäkologie ca. 800 Operationen pro Arzt und Jahr leisten. Vergleicht man hiermit die Op-Zahlen der Krankenhäuser unter Berücksichtigung der Stellenzahl und unter Abzug der Kapazität für die Geburtshilfe, so erkennt man, dass obige Berechnungen durchaus realistisch sind, zumal den Kollegen im Krankenhaus zahlreiche, oben erwähnte Arbeiten durch Hilfspersonal abgenommen werden.

Berechnet man mit diesen Zeiten und den derzeitigen Vergütungssätzen den hypothetischen Umsatz der operativen Zentren, so stellt sich eine eklatante Unterdeckung heraus. Weshalb sind also noch nicht alle bankrott? Bei einigen ist dies sicherlich nur noch eine Frage der Zeit. Andererseits leisten die meisten Kollegen weit mehr als eine Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden. So kann man über Mehrarbeit, Subventionen aus Sprechstundentätigkeit und die Privateinnahmen „überleben“. Für die politische Diskussion und die betriebswirtschaftlichen Kalkulationen sind dies jedoch ungeeignete Grundlagen.